Bildhauer Aurel Widmer zeigt seine Bilder an der "Photo Schweiz"

2022-10-09 12:22:32 By : Ms. Catherine Fang

Sein Geschäft ist der Tod. Aurel Widmer ist Grabsteinhauer aus Brunnadern und täglich mit den Themen Trauer und Abschied konfrontiert. Für die «Photo Schweiz», die grösste Fotoausstellung der Schweiz, hat er mit einer Einwegkamera seine Begegnungen mit dem Sterben fotografiert.

Ihre Bildbeiträge für die «Photo Schweiz» sind gemessen an dem Thema auffällig sanft. Ein skizzierter Engel auf der chaotischen Arbeitsfläche, ein Stück Marmor mit aufgemalter Rose, ein Mann, der filigrane Arbeit in massiven Stein hämmert. Ist die Arbeit mit dem Tod schön?

Ja. Schön ist auf jeden Fall die Aufgabe, derjenige zu sein, der für Menschen etwas schafft, das ihnen Trost und Freude spendet, bei aller Trauer. Es ist das, was ihnen bleibt von einem geliebten Menschen, nebst den Erinnerungen. Und es ist für viele der entscheidende Schritt, den Verstorbenen wirklich loszulassen. Wie ein Stein, der ihnen vom Herzen fällt, und stattdessen als Grabstein auf dem Friedhof steht.

Sie sprechen von Freude, haben Sie ein Beispiel?

Es gibt Kundengespräche, da sitzen die Angehörigen und wir am Tisch und lachen alle herzlich, weil jemand eine Anekdote aus dem Leben des Verstorbenen erzählt. Natürlich gibt es dazwischen auch Tränen. Oft kommt aber auch Post von Menschen, die ihre Freude über den Stein ausdrücken: «Genau so wollte ich ihn haben, das macht uns so glücklich», steht dann da.

Die Coronapandemie forderte hierzulande Tausende Todesopfer. Wie hat sich Ihr Berufsleben dadurch verändert?

Wenig. Man muss ja dazu sagen, dass nur ein Bruchteil derer, die sterben, auch einen Grabstein bekommen. Vielmals gibt es Urnenbestattungen in Urnenwänden oder in Gemeinschaftsgräbern, die Menschen behalten die Asche, oder sie wird verstreut. Vielfach trauten sich die Menschen während der Lockdowns einfach nicht in unser Geschäft. Ein Erlebnis werde ich aber nicht vergessen.

Eine Frau schilderte mir, wie sie ihren Mann nur noch stundenweise besuchen durfte, obwohl er im Sterben lag. Am Ende konnte sie nicht bei ihm sein, als er starb. Diese Frau war erschüttert und zutiefst wütend – und ich möchte nicht wissen, wie vielen es noch so ergangen ist.

Wie verändert Ihre berufliche Tätigkeit Ihren Umgang mit dem Tod?

Bei unserer Tätigkeit wird uns immer wieder vor Augen geführt, dass nichts für immer ist. Dadurch setzt man sich sicherlich mehr und differenzierter mit dem Thema Tod auseinander und kann vielleicht auch in gewissen Situationen besser relativieren. Wichtig finde ich, dass man sich mit dem Thema Tod, das sehr oft tabuisiert wird, konfrontiert. Mich lehrt die tägliche Konfrontation damit, zu leben. Schliesslich ist es das einzige Ereignis, welches uns allen sicher ist.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Ich selber hatte ein prägendes Erlebnis und grosses Glück im Unglück bei einem schweren Autounfall. Das hat mir die Augen geöffnet und aufgezeigt, wie schnell es gehen kann. Die Zeit, die wir haben, nutzen wir besser sinnvoll. Carpe diem – nutzen wir die Zeit. Jeder entscheidet selbst, wie.