Selbstfahrende Autos: Warum der Innenraum entscheidend ist

2022-10-13 10:50:39 By : Mr. Beck peng

Wenn Autos sich selbst steuern, haben Menschen Zeit für anderes. Darum konzipieren Designer nun Büros, Schlafkapseln und Luxussuiten auf Rädern. Das wird nicht nur das Fahren, sondern auch die Geschäftsmodelle verändern.

Wie im Wohnzimmer Renault richtet das autonome Auto mit Sesseln, Marmor und Panoramafenster ein.

Pia grüßt, sobald man sich in einen der Sessel fallen lässt. Sie sorgt dafür, dass der richtige Radiosender läuft, und weiß, welche Beleuchtung man mag, weil sie einen am Smartphone erkennt. Sie aktiviert die Massagefunktion, wenn der Nacken verspannt ist – und wer friert, dem empfiehlt sie die Sitzheizung. Pia ist die Stimme einer künstlichen Intelligenz, die den Aufenthalt im autonomen Auto so angenehm wie möglich gestalten soll. Zumindest, wenn es nach Audi-Chefdesigner Marc Lichte geht, der Pia konzipiert hat.

Bis auf den Straßen fahrerlose Fahrzeuge unterwegs sind, wird es nicht mehr lange dauern, BMW zum Beispiel will die ersten Selbstfahrer ab 2021 in Serie bauen. Und eines ist jetzt schon klar: Die Menschen in ihnen werden nicht mehr Fahrende, sondern Reisende sein – und die vier Jahre ihres Lebens, die sie in Mitteleuropa durchschnittlich hinter dem Steuer verbringen, völlig anders verbringen. Die Branche stellt das vor eine ihrer größten Herausforderungen: Wie muss das Auto der Zukunft ausgestattet sein? Welchen Ansprüchen soll es genügen?

Nach Schätzung der Unternehmensberatung PwC werden sich traditionelle Hersteller und Zulieferer, die derzeit noch 70 Prozent der Gewinne in der Branche einstreichen, bereits im Jahr 2030 mit nur noch der Hälfte dessen begnügen müssen, was sich mit Autos verdienen lässt. Grund dafür sind Anbieter vernetzter Technologien und digitaler Dienste, die sich zwischen Hersteller und Kunde schieben – so wie es der Chauffeursdienst Uber mit seiner Abholfunktion per Smartphone-Wisch vormacht. Nur wer es verstehen wird, die richtigen Akzente in puncto Technologie, Komfort und Design zu setzen, hat eine Chance, in diesem neuen Mobilitätsspiel als Sieger vom Platz zu gehen.

Worauf es in Zukunft ankommt, zeigt Marc Lichte mit dem Konzeptfahrzeug Audi Aicon. Das Fahrzeug wird mit künstlicher Intelligenz gesteuert und stellt sich, wie gesagt, mit weiblicher Stimme, als Pia vor. Und Pia kann viel. Es holt seine (Smartphone-) Nutzer vor der eigenen Haustür ab, leuchtet ihnen mit einer integrierten Drohne beim Ein- und Aussteigen – und ist ansonsten als eine Art intelligentes Wohnzimmer auf Rädern konzipiert, das sich den Vorlieben und Bedürfnissen der Reisenden anpasst. „Wir haben den Audi Aicon als Luxusfahrzeug der Zukunft entworfen, das vor allem für Reisen auf langen Strecken ausgelegt ist“, betont Lichte.

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Nicht nur Audi, so gut wie alle Autohersteller, arbeiten an der Frage, wie das Auto aussieht, wenn es eines Tages allein fährt. Volkswagen hat mit seinem VW Sedric einen autonom fahrenden Kleinbus entwickelt, der als Büro oder Meetingraum genutzt werden kann. Yanfeng Automotive Interiors, ein chinesisch-irischer Anbieter automobiler Innenausstattung, präsentierte kürzlich ein Konzeptfahrzeug, das zwischen den vier verschiedenen Modi Drive, Lounge, Family und Meeting wechseln kann – je nach Einstellung rücken die Sitze zueinander oder voneinander weg, und im Familienmodus schiebt sich ein Origami-Tisch in die Mitte.

Der Fahrer lenkt, bremst und beschleunigt selbständig. Einfache Systeme wie Abstandshalter unterstützen ihn.

Das elektronische System übernimmt bestimmte Funktionen wie etwa das automatische Einparken oder das Spurhalten. Der Fahrer bleibt aber weiter in der Verantwortung, die Hände bleiben am Lenkrad.

Das Fahrzeug fährt weitgehend autonom, der Fahrer muss nicht mehr alles dauerhaft überwachen. Er darf die Hände vom Lenkrad nehmen, muss aber in der Lage sein, nach Vorwarnung die Kontrolle wieder zu übernehmen.

Der Fahrer kann noch übernehmen, ist aber nicht mehr erforderlich, um das Auto zu steuern. Elektronische Systeme können alle Verkehrssituationen automatisch bewältigen.

Das Lenkrad entfällt, das Auto wird nur noch vom System gesteuert.

BMW hat bereits ein Auto gezeigt, das sich über ein Hologramm, also über in den Raum projizierte Bedienelemente, steuern lässt. Renault hat mit Symbioz eine loungeartige Luxuslimousine konzipiert: Die Sitze lassen sich wie in einem Wohnzimmer zueinanderdrehen; durch ein gläsernes Kuppeldach fällt Licht; Sitze aus grauem Stoff, kupferfarbene Armaturen und ein ausziehbarer Marmortisch verbreiten eine wohnliche Atmosphäre.

Rollende Büros, fahrende Luxussuiten oder Schlafkapseln auf Rädern: Alles ist möglich. Wenn Autos kein Lenkrad mehr brauchen, überdies so sicher sind, dass Anschnallgurte überflüssig werden, und mit der Elektromobilität auch noch der Platz für den Verbrennungsmotor wegfällt – dann kann der Innenraum so frei gestaltet werden wie noch nie. Für Autodesigner sind dies goldene, kreative Zeiten.

Mit dem selbstfahrenden Auto – wie der im Jahr 2015 vorgestellten Studie Mercedes F 015 – entsteht ein neuer Typ Autofahrer, der sein Glück nicht mehr in rasanter Beschleunigung, dem Kick des Driftens um enge Kurven oder der wilden Hatz auf der linken Spur der Autobahn sucht. Er ist passiver Mitfahrer, wie in Flugzeug, ICE oder Reisebus an die Adria. Aber eben in privater Atmosphäre, die er sich dank der Technik selbst gestalten kann. „Wir müssen uns heute schon fragen, welche Wünsche und Bedürfnisse die Menschen haben und wie man diese erfüllen kann“, sagt Anke Kleinschmidt, Chefin der Daimler-Konzernforschung.

So also könnte eine S-Klasse des Jahres 2030 aussehen. Lounge-Charakter durch vier drehbare Sessel, so dass sich die vier Insassen unterwegs auch gegenüber sitzen können. In die Armaturentafel sowie die Rück- und Seitenwände sind sechs Displays integriert, auf denen durch Gesten, Bewegen der Augen oder durch Berührung viele Funktionen abgerufen werden können.

Statt der konventionellen Bestuhlung können die Vordersitze auch gedreht werden – schließlich muss der Fahrer nicht nach vorne schauen, wenn der Roboter die Kontrolle übernommen hat. Aus dem Innenraum kann dann eine Art mobiler Konferenzraum werden.

Das langgezogene Kuppeldach reicht von Achse zu Achse, die breiten Türen öffnen sich gegenläufig wie ein Kleiderschrank. Innen können die großen Türen als Fläche für die Displays genutzt werden.

Trotz aller Zukunftstechnologie hat die Studie noch ein Lenkrad – schließlich soll der Fahrer, sofern er es wüscht, immer noch selbst die Kontrolle übernehmen können.

Wie sich Toyota ein Roboterauto vorstellt, haben die Japaner im Januar 2017 auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas gezeigt. Das Concept-i ist ähnlich wie der F 015 konsequent auf das autonome Fahren ausgelegt. Eine Idee der Toyota-Tüftler: Von außen soll erkennbar sein, ob das Auto gerade selbst fährt oder ob der Fahrer die Kontrolle hat. Das wird durch die blaue Lichtstimmung und den "Automated"-Schriftzug über dem Toyota-Logo deutlich. Steuert der Mensch, wechselt das Farbschema.

Zudem soll der Concept-i auch auf andere Weise mit der Umwelt kommunizieren. Am Heck können Warnungen angezeigt werden, aber auch andere Hinweise an andere Verkehrsteilnehmer.

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