Die heutige Brücken-Figur aus Marmor ist ein Nachfolgemodell der ersten Sandstein-Figur.
Limburg -e Passanten haben in Jahrhunderten die alte Lahnbrücke benutzt, die die Brückenvorstadt mit der Innenstadt verbindet. Die wenigsten Menschen haben sich darüber Gedanken gemacht, warum dort auf der Brüstung eine Figur steht, von der noch wenige wissen mögen, dass es sich um den Brückenheiligen Nepomuk handelt. Bestenfalls wird er in das Bild- oder Filmmotiv mit Dom und Lahn einbezogen. Auf der gegenüberliegenden Seite steht ein wenig beachtetes Steinkreuz.
Johannes von Nepomuk ist ein böhmischer Märtyrer, der im 14. Jahrhundert lebte und in der katholischen Kirche als Schutzpatron der Brücken wie auch als Patron des Beichtgeheimnisses verehrt wird. Exakt 321 Jahre nach seinem 1393 erlittenen Tod, aber zwölf Jahre vor seiner Heiligsprechung 1729 durch Papst Benedikt XIII., bezog er erstmals die Lahnbrücke in Limburg auf einem hohen Postament.
Der Begriff hat nichts mit der Post zu tun. Er stammt aus dem Italienischen und meint einen Sockel oder auch Unterbau. Und dennoch hat diese Figur samt Postament einen postalischen Ursprung; denn es handelt sich um eine Stiftung des einstmaligen kaiserlichen Postverwalters zu Heilbronn, Johann Philipp Scheurer. Dieser erblickte 1681 als Sohn des Limburger Bürgermeisters Johann Theodor Scheurer (1632-1711) das Licht der Welt und hatte vor seinem Umzug ins Schwabenland seine Jugend in der Domstadt verbracht, der er sich erkenntlich zeigen wollte.
Die 1714 aufgestellte lebensgroße Statue stand ursprünglich auf der lahnabwärts gelegenen Seite. Gegenüber in Richtung Dom stand zu dieser Zeit das Steinkreuz, das im 14. Jahrhundert von Überlebenden der Pest gestiftet worden sein soll, aber erst im Zusammenhang mit der Brückenrenovierung 1657 beschrieben wird. Zwischen 1349 und 1351 hatte der sogenannte schwarze Tod bis zu einem Drittel der Limburger Bevölkerung dahingerafft. Im Sockel jenes Kreuzes finden sich die Wappen, Initialen und Hausmarken des damaligen Bürgermeisters Johann Melbaum (1600-1672) und seiner Frau Margarethe Stroh. Ein Wappen bezieht sich auf das Kurfürstentum Trier.
Nachdem im März 1945 vor Ende des Zweiten Weltkriegs Soldaten der Wehrmacht die Brücke bei einem Spreng-Versuch schwerbeschädigt hatten, musste sie wiederhergestellt werden. Nach ihrer Fertigstellung drei Jahre später wurden die Standorte der Figur und des Kreuzes aus unbekannten Gründen getauscht und so stehen sie heute noch und werden nach der laufenden Brückensanierung ihre gewohnten Standplätze wieder einnehmen.
Allerdings handelt es sich bei der heutigen Nepomuk-Figur um ein 1965 von dem Limburger Bildhauer Karl Matthäus Winter (1932-2012) geschaffenes Nachfolgemodell. Der einst von Johann Philipp Scheurer gestiftete Vorgänger aus Sandstein war bereits 1918/19 mehrmals mutwillig beschädigt, aber wieder instandgesetzt worden. In den 1950er-Jahren zeigten sich zunehmend Schäden an dem nun fast 250 Jahre alten Brückenheiligen. 1962 wurde das Standbild von jugendlichen Rowdys beschädigt. Sie zerbrachen das Birett des Heiligen und entfernten den Christuskörper von seinem steinernen Kreuz, das er auf dem Arme hielt.
Im Juni desselben Jahres wurde die Figur entfernt, später durch den Limburger Heinz Siebert restauriert und steht seitdem im Stadtarchiv. In der Domstadt löste das Thema Nepomuk-Figur eine heftige Diskussion aus, die sich auch in zahlreichen Leserbriefen widerspiegelte. Von Anbeginn war klar, dass auch künftig ein Nepomuk auf die Brücke gehört. Sollte man den alten nochmals nehmen oder einen neuen und wie sollte der aussehen? Nach dem Vorbild aus dem Barock oder ein moderner oder halbmoderner?
Anfang 1965 beauftragte der Magistrat drei Künstler mit der Anfertigung entsprechender Entwürfe, von denen Winters Modell den Vorstellungen der Auftraggeber und in vielen Elementen seinem barocken Vorgänger am nächsten kam. Der Limburger Bildhauer bearbeitete die rund eine Tonne schwere, lebensgroße Plastik aus Wirbelauer Marmor in dem Villmarer Steinmetzbetrieb von Engelbert Müller.
Am Gründonnerstag, 7. April 1966, war es dann endlich so weit: Die neue Figur wurde wieder aufgestellt Die Silhouette war fast die gleiche, die leicht geschwungene Linie, das Birett auf dem Kopf, das Kreuz im linken Arm. Und gleichzeitig war es doch ein eigenständiges Kunstwerk. Auf beiden Seiten des unteren Chorrocks hatte der Künstler stilisiert zwei flammende Fackeln angebracht, die bis unter die Achselhöhlen lodern und dokumentieren, dass Nepomuk als Beichtvater wegen der Wahrung des Beichtgeheimnisses mit brennenden Fackeln gefoltert wurde.
Immer wieder hatten Bürger in den sechziger Jahren gefordert, den Nepomuk wieder an seine ursprüngliche Stelle flussabwärts zu postieren. Es sei davon auszugehen, dass dies der Geschichte Rechnung trage, wonach ihn die Prager Schergen dort in die Moldau gestürzt hatten, damit der Ertrinkende nicht an einem Brückenpfeiler angeschwemmt und sich anklammern konnte. Warum er dennoch wieder flussaufwärts mit dem Rücken zum Dom aufgestellt wurde, legt die Vermutung nahe, weil er mit dem Dom im Hintergrund besonders fotogen wirkt.
Die Wappentafel unterhalb der Figur kam zum Schutz gegen Umweltschäden ebenfalls in das Stadtarchiv. Bei dem, was heute zu sehen ist, handelt es sich um eine Nachbildung aus dem Jahr 1983. Die Stadt nimmt die gegenwärtige Brückensanierung zum Anlass, die Statue mit dem Postament zu reinigen. DIETER FLUCK